1995 – 07.07.2012
Nicht geröntgt, aber sprunggewaltig!
WÜRFE
Dank unserer ersten Begegnung KEINE Nachkommen
🙂
Prüfungen: keine offiziell anerkannte Arbeitsprüfungen, jedoch Weltmeister im Stehlen von Lebensmitteln und Hundefutter, daher sein Adelstitel „Von den Plünderern“.
1996 brachte mir der Wittener Tierschutzverein einen braungetigerten Kater zur Kastration in die Praxis. „Tiger“ stolzierte aus seiner Transportbox und zog direkt bei mir ein. Er war abgegeben worden, weil er sich nicht mit dem alten Kater im selben Haushalt vertrug und landete nun in meinem turbulenten Praxisalltag mit drei Hunden. Ich nannte ihn Conrad und wurde sein zweibeiniger Dosenöffner. Er ging zum Arbeiten mit in die Praxis und nach Dienstende mit in die Wohnung. Er lebte als Chef unter den Hunden, fing Mäuse, klaute Hundefutter und liebte meine Besucher, die ihm mal ein Sheba-Döschen spendierten. Er ist in all den Jahren Individualist geblieben. Am meisten schätzte er meinen Vater, weil der nie versuchte, ihn anzufassen. Wenn Papa auf meinem Sofa saß, überwand Conrad alle Vorurteile gegenüber Menschen und setzte sich sehr ordentlich und laut schnurrend neben ihn. Dabei wusste ich dann nie, wer wem mehr misstraute. Über Conrads Streiche könnte ich Bücher schreiben und ganz ehrlich: Während die Hunde in der Regel reagieren, tat Conrad nur ganz selten etwas, zu dem man ihn animieren wollte. Gerade das machte ihn für mich so faszinierend.
Conrad hatte irgendwie mehr als sieben Leben. Bei genauem Nachdenken habe allein ich ihn mindestens fünfmal davor bewahrt, von einem Hund gebissen zu werden. Hinzu dürften etliche Auseinandersetzungen ohne mein Wissen gekommen sein. Im hohen Alter hatte er zunehmend Rücken- und Knieprobleme und wurde dünner. Aus dem einstigen „Fettsack“ wurde ein altes Männlein, für das ich immer mehr extravagante Futtersorten besorgte.
So fürchtete ich immer mehr den Tag, an dem er gar nicht mehr fressen würde oder sein Herz auch die kürzeste Flucht vor einem Hund (denn geärgert und provoziert hat er die ja bis zum Schluss) nicht mehr verkraften würde. Ich hatte Angst, ihn greifen und festhalten zu müssen, um ihn einzuschläfern. Und wie so oft war bei Conrad alles anders. Er schlief tief und friedlich auf der breiten Fensterbank, als ein Jagdhund von mir im Notdienst behandelt wurde – im Nebenraum. Der Hund, ein ganz lieber, gut erzogener Patient, lief nach der Behandlung im Raum umher, während ich seine Kartei ergänzte und sein Besitzer mir zuhörte.
Und irgendwann verließ die Hündin unbemerkt den Behandlungsraum und packte den schlafenden Conrad. Irgendwie habe ich das Hundemaul öffnen und den panischen Kater befreien können, der sofort mit ganzer Kraft den Hund attackierte und dann versuchte aus dem offenen Fenster zu verschwinden. Ich konnte auch das verhindern, aber ihn doch nicht mehr retten. Der Biss hatte ihn so verletzt, dass er Blut erbrach und eine Lungenblutung entwickelte. Er verkroch sich zunächst im Bad, kam nach kurzer Zeit taumelnd und nach Luft ringend zu mir und streckte sich im Behandlungsraum auf dem Boden aus. Ich konnte ihn dort ohne jede Gegenwehr spritzen und seinem Leiden ein Ende bereiten.
Conrad war einmalig.